Financial Times Deutschland published this op-ed by Soner Cagaptay and Mark Dubowitz in German.
Anfang Februar hat Belgiens Polizei Riza Altun verhaftet, den Europachef der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK. Französische Behörden gingen gegen das PKK-Finanznetzwerk in Paris vor. Die PKK hat seit 2004 über 1500 Menschen in der Türkei getötet oder verletzt. Sie kann dies dank eines weiten Finanz- und Propagandanetzwerks in Europa.
In einer Zeit, da der EU-Beitritt der Türkei vor großen Herausforderungen steht, ist die PKK ein ernstes strategisches Problem für Europa: Der Schutzraum, den die PKK hier genießt, führt in der Türkei zu einem maßiven nationalistischen Stimmungsumschwung gegen Europa.
Europas Paßivität in Sachen PKK -- und der amerikanische Widerwille, die Terrorenklave der Gruppe im nordirakischen Kandil zu zerstören -- führt dazu, daß sich die Türken zunehmend vom Westen abwenden. Eine Umfrage des Pew Center zeigte jüngst, daß nur noch weniger als die Hälfte der Türken den EU-Beitritt unterstützen. Vor vier Jahren waren es noch rund 90 Prozent. Noch alarmierender ist, daß nur 15 Prozent der Türken eine positive Meinung über Christen haben und nur zwölf Prozent der Türken die USA mögen.
Während das PKK-Thema die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei vergiftet, führt es die Türkei näher an den islamischen Nahen Osten und auch an Länder wie den Iran und Syrien. Trotz der Hilfe, die beide Länder vielen Terrorgruppen gewähren, können Europa und die USA von beiden in Sachen PKK etwas lernen.
Der Iran und Syrien haben verstanden, daß sie viel gewinnen können, wenn sie die PKK direkt verfolgen. Beide haben ihre Politik des Stellvertreterkriegs aus den 90er-Jahren beendet. Syrien beherbergte damals PKK-Führer öcalan, der Iran stellte Camps bereit. Heute verhaftet Syrien PKK-Mitglieder, der Iran bekämpft sie mit der zunehmend erfolgreichen Absicht, türkische Sympathie zu gewinnen.
Es wäre eine Schande, wenn Europa die Türkei in einem Moment verlöre, in dem sie sich zunehmend als westlich orientiertes Land empfiehlt und die Hoffnung stützt, daß das Argument vom „Clash of Civilizations“ widerlegt werden kann. Da der Terror zudem die größte Gefahr für die Sicherheit Europas ist, wäre es eine noch größere Tragödie, wenn Europa die Türkei wegen der PKK verlöre -- und auch noch ausgerechnet an Teheran und Damaskus.
Geht Europa die PKK nicht an, droht ihm selbst ein Sicherheitsproblem. Das Netzwerk der PKK, über das in den 90er-Jahren Mitglieder nach Europa geschleust wurden, hat sich in eine kriminelle „PKK-Autobahn“ vom Nordirak nach Paris, Berlin und London verwandelt. Die PKK nutzt dies nicht nur, um Gewalt zu fördern, sondern auch, um auf kriminellem Wege Gelder zu beschaffen, etwa durch Drogenhandel. Britische Behörden schätzen, daß die PKK 40 Prozent des Heroins schmuggelt, das von Osten in die EU kommt. Sicherheitsanalysten sehen auch illegalen Menschenhandel als Geldquelle.
Aus Sorge darüber haben die Europäer zu handeln begonnen. Der Volkskongreß Kurdistan (Kongra-Gel), in den sich die PKK 2003 umbenannt hatte, wurde 2004 von der EU zur Terrororganisation erklärt. Dies ist ein wichtiger erster Schritt, denn er erlaubt den Regierungen, aggreßiv gegen das PKK-Netzwerk vorzugehen. Dazu zählen auch Roj TV und Mezopotamya TV, zwei TV-Sender in Dänemark, die PKK-Nachrichten und Propaganda verbreiten inklusive Gewaltaufrufen gegen die Türkei.
Europa ist bereits gegen Medien von Terroristen vorgegangen. So entschied die EU, daß der Hisbollah-TV-Sender al-Manar ihre Regeln verletzt, wonach Sendungen, die zum Haß aufgrund von Raße, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufrufen, verboten sind. Ironischerweise ist die Hisbollah nicht auf der EU-Liste der Terrororganisationen, während Brüßel die PKK-Sender gewähren läßt. Sie laufen über einen Satelliten von Eutelsat, derselben Firma, die korrekterweise die Außtrahlung von Hisbollah-TV beendet hat.
Das Gefühl, daß Europa Gewaltaufrufe gegen Türken gleichgültig sind, kann das Ende der Europhilie in der Türkei einläuten. Immerhin begreift Europa langsam, daß es gegen die PKK vorgehen muß.
Financial Times Deutschland